Männerjass
Männerjass
Im Jahre des zehnjährigen Bestehens der Männerjass begann sich Günther Orke zunehmend für das Schützenwesen zu interessieren, nachdem er bis dahin als ehemaliger Wehrpflichtiger und als Alt-68er diesem Brauchtum eher distanziert gegenübergestanden hatte. Nach einer gewissen Bedenkzeit schloss er sich dann diesem traditionsreichen Grenadierzug an, dem damals bereits ehemalige Schulfreunde wie Heribert Palmen und Günther Ager angehörten. Doch statt in einer Reihe mit seinen Kameraden zu marschieren, stieg Günther 1988 bei seiner ersten Teilnahme am Schützenfest als Aktiver sofort auf ein Pferd. Seinerzeit wurde nämlich ein neuer Adjutant gesucht. Der damalige Vorsitzende des Grenadierkorps, Heribert Palmen, erinnerte sich an die guten Reitqualitäten seines einstigen Klassenkameraden und überzeugte ihn, diese Fähigkeit auch als Schütze zu demonstrieren. Nach einem Jahr als Adjutant des inzwischen verstorbenen Grenadiermajors Dieter („Didi“) Hahn übernahm Günther Orke dann selbst diese Führungsaufgabe und bereichert nunmehr seit fast 25 Jahren die Generalität der Bruderschaft. Zwar inzwischen grau geworden, aber immer noch äußerst umtriebig freut er sich jedes Jahr aufs Neue, das Grenadierkorps während des Schützenfestes über die Kaarster Straßen zu führen. Dabei führt er diese Aufgabe so selbstverständlich und souverän aus, dass er hier in Kaarst inzwischen als Synonym für „Grenadiermajor“ steht. Ein Großteil der heutigen Grenadiere kennt seit Kindergarten-, Schul- und Jungschützenzeit nur ihn in dieser Funktion. Insofern ist es für die meisten Schützen undenkbar, dass eine andere Person Grenadiermajor sein könnte. Vergleiche mit dem einen oder anderen hochrangigen, zu lange an seinem Amt klebenden Politiker sind allerdings nicht angebracht, denn Günther Orke weiß, wann die Zeit des Rückzugs gekommen ist: nämlich dann, wenn ihm die Anerkennung noch in einem hohen Maße entgegengebracht wird.
Also hat auch diese lange Epoche wie alles Andere ein Ende. Günther Orke steigt aus eigenem Antrieb und unwiderruflich in seinem Jubiläumsjahr vom Pferd und die Männerjass wird Trauer tragen:
zum letzten Mal ertönt unser Jubel, wenn er sich in unnachahmlicher Manier kurz vor der Festwiese aus dem Sattel schwingt (und dabei jeden Schmerz konsequent weglächelt);
zum letzten Mal wird er versuchen, die Männerjass wie auch andere Grenadierzüge für irgendwelche Ordnungswidrigkeiten zu bestrafen, um die Jugendkasse aufzufüllen (und dabei keine Ausrede gelten lässt);
zum letzten Mal wird er sich auf geschickte Art und Weise ein Vergehen ausdenken, dass er dem Spieß der Männerjass vorhalten kann, um ihn zu reglementieren, damit dieser eine persönliche Strafe abführen muss (und auch bei ihm keine erklärende Entschuldigung gelten lässt);
zum letzten Mal wird er im zügigen Trab (früher: Galopp) an uns vorbeireiten und wie immer bemüht sein, seinen Adjutanten auf Abstand zu halten (und dabei stetig versuchen, eine gute Reiterhaltung einzunehmen, während unsere Jubelrufe langsam abebben).
Im nächsten Jahr wird Günther, in unserem Grenadierzug auch „Herr Major“ oder nur „Major“ (wörtlich: „Meidscha“) gerufen, dann endlich – mit einer Anlaufzeit von 25 Jahren (welch einmaliger Akt!) – als Frackträger in Reih und Glied mitmarschieren, ob in der ersten oder zweiten Reihe wird sich unser Hauptmann noch überlegen. Gleichwohl, ein Günther Orke gehört nach vorne! So hat auch der Spieß, der bereits jetzt Vorfreude auf die eine oder andere Retourkutsche genießen darf, eine bessere Kontrolle.
Doch bevor die Männerjass auf dem Schützenfest um Günther Orke „trauert“, wollen wir noch einmal sein reiches Schützenleben Revue passieren lassen:
Günther brachte und bringt immer noch die Voraussetzungen mit, um ein Grenadierkorps zu führen: er kann reiten, er ist korrekt und pingelig, er besitzt eine hohe Akzeptanz im Grenadierkorps und in der Generalität, er ist gescheit und er ist bereit, Verantwortung zu übernehmen. All diese Eigenschaften haben ihn zu einer allseits anerkannten Persönlichkeit im Kaarster Schützenwesen gemacht, die in all den Jahren das Grenadierkorps hervorragend präsentiert hat.
In seiner Ägide, die auch durch die jeweiligen Vorsitzenden (insbesondere Heribert Palmen und Frank Specht) wesentlich mitgeprägt wurde, ist das Grenadierkorps von neun Zügen mit knapp 100 Mitgliedern Ende der 80er Jahre auf nunmehr 30 Züge (inklusive Vorreiter) mit knapp 400 Mitgliedern (354 Aktive und 37 Passive) angewachsen und hat sich zum Vorzeigekorps in der Bruderschaft entwickelt.
Nach seiner Wahl zum Grenadiermajor hat Günther Orke darüber hinaus jahrelang die Pressearbeit im Grenadierkorps übernommen und die Kommunikation zu und mit den Medien, die bis dahin recht unbefriedigend war, grundlegend neu gestaltet und nachhaltig verbessert. Noch heute wirkt diese vorbildliche Pflege der Presselandschaft positiv nach.
Seine menschlichen Qualitäten zeigen sich letztendlich auch daran, dass er in diesem Zeitraum mit nur zwei Adjutanten, die beide ebenfalls Mitglied der Männerjass sind, ausgekommen ist: Helmut Ziert, der ihn ab 1989 18 Jahre lang stets mit einem leichten Lächeln auf den Lippen auf dem Pferd begleitete, und Peter Lazik, der seit 2007 diese Funktion ebenfalls mit Leidenschaft ausübte. In diesem Jahr wird zum ersten und einzigen Mal sein designierter Nachfolger Christian Weyen, der langjährige Adjutant unseres Generals Klaus Gehlen, sein Begleiter sein und auf diese Weise an seine neue Aufgabe herangeführt werden. Die Anzahl der Pferde, die Günther in diesem Zeitraum geritten hat, ist hingegen unbekannt. Hier musste leider häufiger gewechselt werden.
Günther Orke ist ein Kaarster Urgestein im besten Wortsinn. Geboren und aufgewachsen in dieser niederrheinischen Hochburg des Schützenbrauchtums stellte er in seiner Heimatstadt auch jahrzehntelang sein Können als Fußballer und selbständiger Unternehmer unter Beweis. Inzwischen ist er als leitender Mitarbeiter in einem europaweit agierenden Düsseldorfer Telefon- und Netzwerkunternehmen tätig. Sein großes Hobby neben dem Schützenwesen ist der Fußball geblieben – aber nur noch passiv als begeisterter Fan: Fortuna ist sein Verein! Mit diesem Traditionsverein aus der Landeshauptstadt teilt er wie viele andere von uns Schützen regelmäßig Freud und Leid.
Günther steht gern im Mittelpunkt und übernimmt ohne Zaudern Verantwortung. Er kann gut delegieren und hat ein vorzüglich funktionierendes Netzwerk innerhalb und außerhalb des Schützenwesens, dass er immer wieder gern zum Vorteil seiner Grenadiere einsetzt. Günther möchte jedoch ungern geführt werden, vielmehr ist er ein „Macher“ – im positiven Sinne. Seine Leidenschaft sind das Pläne schmieden, das besonnene, aber zielorientierte Diskutieren beim Lösen von Problemen und das konstruktive Realisieren der angedachten Vorhaben. Folgende Aktivitäten außerhalb des Schützenfestes, die inzwischen teilweise eingestellt worden sind oder andere Moderatoren bzw. andere Gestaltungsformen gefunden haben, sind von ihm maßgeblich mitgestaltet worden:
Der urgemütliche „Weihnachtsmarkt an der Alten Mühle“, den er mit seinem Kegelclub Mitte der 80er Jahre initiierte und den er dann Anfang der 90er Jahre mit der Männerjass bis zum Finale in 1998 fortsetzte;
Das zweitägige Sommerfest „Kaarst feiert mit Herz“, bei dem die Grenadiere gemeinsam mit den Jägern Anfang dieses Jahrtausends den Kaarster Bürgern mehrfach ein tolles Event auf dem Rathausplatz mitten in der Stadt boten;
„Ü30-Partys“ im PZ (heute: AEF) und später im Holiday Inn (heute: Park Inn), die bei jeweils anderer Motto-Dekoration tolle Disko-Musik vornehmlich aus den 70er und 80er Jahren boten;
Last but not least der „Grenadierball“ im Park Inn, der seit vielen Jahren von ihm wesentlich mitorganisiert und –moderiert wird.
Kaarst allein reichte allerdings bisher nicht aus, um Günthers Durst nach Schützenluft zu stillen. So hat er es sich seit vielen Jahren nicht nehmen lassen, dem größten Schützenfest der Welt in Neuss beizuwohnen und mit dem Grenadierzug „Netzroller“, dem auch zahlreiche andere Kaarster Persönlichkeiten aus dem Schützenwesen angehören (Ricardo Lehmann, Werner Schmitz u.a.), „op de Maat“ zu marschieren. Aber auch die Aktivitäten auf dem Neusser Fest haben in den letzten Jahren etwas nachgelassen und werden sich zukünftig auf die passiven Rechte und Pflichten eines Schützen beschränken.
Demnächst wird also das Schützenleben von Günther Orke insgesamt etwas kleiner und etwas ruhiger ausfallen. Denn auch er ist wider Erwarten nicht im Besitz der ewigen Jugend: lag bisher für ihn alles Schützenglück dieser Erde vor allem auf dem Rücken der Pferde, so muss er dieser Leidenschaft nun Tribut zollen, denn es zwickt inzwischen nahezu überall (wie auch schon von der Männerjass im vorigen Jahr auf seiner 60. Geburtstagsfeier mit dem aktuellen Lied der Bläck Föss festgestellt wurde: „He tut es weh, da tut es weh“). Aber jeder, der Günther kennt, weiß, dass vollkommene Ruhe ihm fremd sein wird. Wenn das Schützenfest naht, kennt er keine Gebrechen mehr, dann sind alle Schmerzen wie weggeblasen (Hierüber könnte seine Frau Astrid Bücher schreiben!). Allerdings wird er nun seine Umtriebigkeit umso stärker im Kreis der Männerjass ausleben. Bisher übte er bei uns noch keine konstante Funktion aus, sondern wirkte mehr als kluger Ratgeber. Aber er hat uns schon versprochen, dass er bald so richtig loslegen werde. Wir sind gespannt und erwartungsfroh: denn bei uns ist ja derzeit noch die bedeutende Position des Kreativmanagers (früher: Vergnügungswart) unbesetzt!
Schauen wir mal, welche Ziele Günther tatsächlich auf Zugebene anvisieren wird. Noch steht ihm alles offen, denn nun fängt ja sein Zugleben als „echter“ Grenadier erst so richtig an!
Axel Volker
Freitag, 8. Juni 2012
Männerjass „trauert“ - der Major steigt vom Pferd